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Neurofeedback - Erwartungen und Erfolgsaussichten
23.08.2023 13:38

Wenn es um Neurofeedback-Therapie oder -Training geht, scheiden sich die Geister: die einen sind begeistert vom schnellen Erfolg der Therapie und dem damit verbundenen Zugewinn an Lebensqualität, die anderen verzeichnen nur mittelmäßige oder sich langsam einstellende Ergebnisse oder verspüren scheinbar gar keinen Effekt. Woran liegt das?

Die Anwendungsmöglichkeiten von Neurofeedback, wie auch die damit verbundenen Ergebnisse, sind so vielfältig wie die Menschen, von denen es genutzt wird. Welche Faktoren spielen hierbei eine Rolle?

 

 

Zugrunde liegender psychischer und körperlicher Gesundheitszustand

Neurofeedback ist ein Ansatz, der in erster Linie neurologisch und psychologisch greift und dadurch sekundär auch körperliche Auswirkungen haben kann. Z.B. kann Neurofeedback sowohl bei psychischen Problemen wir Depressionen, Angsterkrankungen und AD(H)S angewendet werden, aber auch um psychosomatische oder somatoforme Probleme wie Migräne oder chronische Schmerzen zu lindern.

Allerdings spielt der psychische und körperliche Grundzustand der Klienten eine wichtige Rolle für die Erfolgsaussichten!

Wenn die psychischen Probleme eine körperliche Ursache haben - z.B. Antriebslosigkeit und depressive Verstimmung aufgrund einer Lebensmittelunverträglichkeit - ist Neurofeedback wahrscheinlich nicht das erste Mittel der Wahl. Grundsätzlich sollten bei allen psychischen Beschwerden zunächst mögliche körperliche Ursachen abgeklärt werden, da psychotherapeutische Verfahren dann oftmals nicht so gut greifen oder ohnehin nur komplementär (d.h. begleitend oder ergänzend) zum Einsatz kommen können.

Auch einige schwere psychiatrische Krankheitsbilder wie z.B. Schizophrenie, Psychosen oder schwere depressive Episoden, sowie Suchterkrankungen oder manche Persönlichkeitsstörungen erfordern die Intervention eines Psychiaters, d.h. eines Facharztes und ggf. Einsatz von Medikamenten. Auch hier könnte Neurofeedback begleitend zum Einsatz kommen, wir empfehlen es jedoch nicht als primäre Therapie.

Außerdem spielt es eine Rolle, wie lang die psychischen Probleme bereits vorbestanden: Je länger sich z.B. jemand in einer depressiven Episode befunden hat, desto länger kann die erforderliche Therapiedauer sein, bis ein Erfolg sichtbar wird.

Lebensumstände

Grundsätzlich gilt: wer Probleme hat, der fühlt sich schlecht - das ist ganz normal. Wenn die Lebensumstände z.B. aufgrund von Arbeitslosigkeit, Ehescheidung, Tod eins Angehörigen, Misshandlung oder Einsamkeit schwierig sind, reagieren Menschen mit unangenehmen Empfindungen wie Besorgnis, Traurigkeit, Hilflosigkeit, Angst oder Stressgefühlen. Manchmal können diese Empfindungen so stark und einschneidend werden, dass sie einen außergewöhnlich hohen Leidensdruck hervorrufen. Wenn die Person sich daraus nicht selbst befreien kann, ist psychotherapeutische oder psychiatrische Hilfe angemessen oder sogar notwendig.

Es sei jedoch zu beachten, dass psychotherapeutische Interverntionen schlechter greifen, solange die problematischen Rahmenbedingungen weiterbestehen. Folgende Beispiele sollen dies verdeutlichen:

Ein Klient hat Stress in der Arbeit, Probleme mit dem Chef, ist überarbeitet und fühlt sich daher chronisch gestresst. Eine Intervention wie Psychotherapie oder Neurofeedback kann hier möglicherweise bei der Bewältigung der Stresssituation helfen, indem Lösungsmöglichkeiten erarbeitet oder die Stressresilienz erhöht wird. Solange jedoch die schwierigen beruflichen Rahmenbediungen weiterbestehen, ist zu erwarten, dass die betroffene Person weiterhin Stress empfindet, der auch zu körperlichen Beschwerden führen kann. Therapien wirken hier nur bedingt, solange die eigentlichen Lebensprobleme nicht aufgelöst wurden.

Eine erfolgversprechendere Ausgangssituation ist diese: Der Klient hat einen Arbeitsgeberwechsel vorgenommen, wodurch sich seine Arbeitssituation deutlich entspannt hat. Seine chronischen Stressgefühle bestehen jedoch weiterhin, obwohl hierfür kein Anlass mehr besteht. Dies kann sich dadurch erklären, dass die Änderung der Lebenssituation gewissermaßen noch nicht im Kopf und Körper "angekommen" ist. Dies kann der Fall sein, wenn eine Person Stressauslösern zu lange oder zu intensiv ausgesetzt war. Der Körper und die Psyche tun dann nach wie vor so, als ob das Problem weiterhin bestünde. Hier kann Neurofeedback dabei helfen, das gesamte System in den "Normalzustand" zurückzuregulieren. Die Erfolgsaussichten einer Therapie sind hier deutlich höher, da das Problem rein psychisch oder psychosomatisch ist und nicht mehr von den Umständen verstärkt wird.

Erwartungen und Einstellung des Klienten

Auch die Erwartungen und die Grundhaltung des Klienten zum Neurofeedback spielt eine Rolle. Manche Klienten glauben im Neurofeedback auf ein "Wundermittel" gestoßen zu sein und hoffen zu früh auf ein zu deutliches Ergebnis. Sie sind dann frustriert, wenn die Therapie länger dauert und sich Ergebnisse langsamer einstellen als erwartet. Oder sie erhoffen eine "völlige Heilung", wenn ein realistisches Behandlungsziel in ihrem Fall bestenfalls in einer Linderung der Symptome besteht. Manche Patienten hoffen, mithilfe von Neurofeedback notwendige Medikation absetzen zu können oder gar nicht erst aufnehmen zu müssen, doch ist auch dies oftmals nicht möglich.

Andere Klienten versuchen während der Therapiesitzung ein positives Ergebnis zu forcieren, indem sie sich zu sehr mental anstrengen und ehrgeizig versuchen, möglichst viel positives Feedback zu erzeugen. Dies ist jedoch nicht die richtige Vorgehensweise. Wir weisen unsere Klienten vor und während der Therapie darauf hin, dass sie ein 100 % positives Feedback während der Sitzung gar nicht erreichen können und sollen - mehr dazu erfahren Sie im nächsten Artikel. Zu starke Kontrollversuche des Klienten während der Therapiesitzungen können dem Trainingserfolg entgegenwirken.

Therapeutenbindung

Ein weiterer wichtiger Faktor für den Erfolg einer jeden Therapie ist ein gutes Verhältnis zum Therapeuten. Wenn der Klient sich vom Therapeuten unverstanden fühlt oder sonst wie "die Chemie nicht stimmt" kann sich dies negativ auf den Therapieerfolg auswirken, da der Klient bereits mit einer negativen Haltung in die Therapie hineingeht. Der Klient sollte dann eigenverantwortlich Probleme mit dem Therapeuten ansprechen. Sofern sich das Verhältnis dadurch nicht verbessert, braucht sich der Klient nicht zu scheuen, einen Therapeutenwechsel vorzunehmen.

Es kann dem Therapieerfolg auch schaden, wenn der Klient nicht richtig über den Ablauf und die Inhalte der Therapie aufgeklärt wurde und eigentlich nie verstanden hat, wie sie funktioniert und welchen Zweck sie erfüllt. Daher ist die Patientenaufklärung im Vorfeld der Therapie sehr wichtig.

Therapieformen und der Kostenfaktor

Neurofeedback - wie auch andere therapeutische Interventionen - kann zeitlich sehr aufwändig sein, da man von 15-30 oder mehr Therapiesitzungen ausgeht, um ein bleibendes Ergebnis zu erzielen. Die Therapeuten beabsichtigen möglichst von Anfang an die richtige Therapiemethode für den Klienten entspr. seiner Symptome und dem Ergebnis seines QEEGs zu finden - dies ist jedoch nicht immer so einfach, da verschiedene Personen unterschiedlich auf die gleiche Therapie reagieren können. Neurofeedback ist nicht gleich Neurofeedback. Im Rahmen dieser Therapieform gibt es Frequenzband-, Z-Wert-, SCP-, ISF- oder ILF-Training. Hierbei bestehen eine Vielzahl an Kombinationsmöglichkeiten, sowohl was die Inhalte der Therapieprotokolle als auch die angesprochenen Gehirnareale angeht und auch die Art des Feedbacks kann eine Rolle spielen.

Selbst wenn sich für bestimme Symptombilder Standardprotokolle bewährt haben, ist die Einstellung sehr individuell und es müssen ggf. über mehrere Sitzungen verschiedene Optionen getestet werden, um herauszufinden, worauf der Klient am besten reagiert. Dies kann sehr zeit- und kostenaufwändig sein, insb. wenn die Behandlung nicht von der Krankenkasse getragen wird. Einige Klienten brechen dann das Training ergebnislos ab, obwohl noch nicht alle Möglichkeiten für sie ausgeschöpft wurden.

"Nebenwirkungen"

Neurofeedback hat bei richtiger Anwendung keine Nebenwirkungen in diesem Sinne, es kann jedoch insb. in der Anfangsphase des Trainings zu einem sog. Rebound-Effekt kommen, bei dem nach anfänglicher Verbesserung wieder eine kurzzeitige Verschlechterung der Symptomatik eintritt. Dieser Effekt hält i.d.R. nur kurz an und tritt im weiteren Verlauf des Trainings oder durch Änderung des Trainingsprotokolls immer seltener auf.

Zudem können durch Neurofeedback z.B. bei traumatisierten, depressiven sowie Angst-Patienten innere Kompensationsmechanismen verringert werden, was wiederum zu einer Verschlechterung der Symptomatik führen kann. Bei solchen Patientengruppen legen wir daher grundsätzlich zunächst den Fokus auf emotional stabilisierende Trainingsprotokolle zur Stärkung der Resilienz und empfehlen als primäre Intervention eine passende Psychotherapie, ggf. mit Medikation. Neurofeedback kann eine solche Intervention ergänzen, jedoch nicht ersetzen.

Therapieresistenz

So wie es bei Medikamenten eine sog. Resistenz gibt, d.h. das Phänomen, dass sie bei manchen Patienten nicht die erwartete Wirkung zeigen, bzw. gar nicht anschlagen, so scheint es auch bei Neurofeedback manche Personen zu geben, die einfach nicht auf das Training reagieren, egal, welche Methode angewendet wird. Dies lässt sich im Vorfeld nicht voraussehen, sondern zeigt sich erst im Therapieverlauf.

 

 

Grundsätzlich empfehlen wir vor und während einer Neurofeedback-Therapie folgendes:

Lassen Sie im Vorfeld medizinisch abklären, ob Ihre psychischen Smymptome körperliche Ursachen haben. Neurofeedback kann auch in diesem Fall zur Regulation zum Einsatz kommen, jedoch wird wahrscheinlich eine körperliche Therapie im Vordergrund stehen.

Stellen Sie im Erstkontakt mit einer Neurofeedbackpraxis fest, ob sie sich dort wohlfühlen und mit dem behandelnden Bezugstherapeuten gut verstehen. Lassen Sie sich die Therapieinhalte und die benutzten Geräte erklären. Zwar sind viele Details von Neurofeedback sehr fachspezifisch und erfordern eine spezielle Weiterbildung, jedoch können die Grundbegriffe dieser Therapieform laienverständlich dargelegt werden.

Überlegen Sie, welches Therapieziel Ihnen vorschwebt und kommunizieren Sie mit Ihrem Therapeuten ehrlich ihre Krankheitsvorgeschichte und Ihre aktuelle Lebenssituation. Es kann sein, dass Sie Ihre Erwartungen nach Absprache mit dem Therapeuten realistisch anpassen müssen. Lassen Sie sich davon nicht frustrieren, denn auch kleine Fortschritte können für Sie eine Erleichterung und Verbesserung der Lebensqualität darstellen.

Planen Sie Zeit ein! Neurofeedback ist keine Schnelllösung, da ihr Gehirn Zeit braucht, um sich umzustellen. Bei einer Vor-Ort-Therapie in einer Praxis stellen Sie sich auf 15-30 oder mehr Termine ein, die mind. 1x wöchentlich stattfinden (im Heimtraining kann das Trainingsziel ggf. schneller erreicht werden, da Sie pro Woche öfter trainieren können).

Sprechen Sie mit Ihrer gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung ab, inwieweit die Therapie kostentechnisch gedeckt ist und wie viel Sie aus eigener Tasche beitragen müssen. Teilen Sie Ihrem Therapeuten vorab mit, wie viele Sitzungen Sie sich realistischwerweise leisten können und ob in diesem Rahmen ein Therapieerfolg abzusehen ist. Informieren Sie sich, denn ggf. könnten Sie von staatlichen Stellen oder gemeinnützigen Organisationen Unterstützung erhalten.

Versuchen Sie während der Therapie nicht, ein positives Ergebnis zu erzwingen. Was Sie tun können, um am meisten von Ihrem Neurofeedback-Training zu profitieren, erfahren Sie im nächsten Artikel.

Falls es während der Therapie zu dem genannten Rebound-Effekt kommt oder Sie das Gefühl haben, dass ein evtl. Trauma wieder hochkommt, teilen Sie dies Ihrem Therapeuten sofort mit. Möglicherweise muss nur die Therapiehäufigkeit oder der Inhalt umgestellt werden. Es wird wahrscheinlich nicht notwendig sein, die Therapie komplett abzubrechen.

Denken Sie daran, dass Ihr Therapeuten kein Heilversprechen abgeben und keinen sicheren Therapieerfolg garantieren kann. Dies gilt nicht nur für Neurofeedback, sondern auch für jede andere psychotherapeutische oder körpermedizinische Behandlung. Man muss es einfach ausprobieren. Der Therapieerfolg ist, wie oben dargelegt, sehr individuell. Ggf. sollten Sie außer dem Neurofeedback noch andere Therapieformen in Betracht ziehen.

Der Weg zur Heilung oder Linderung Ihrer Probleme kann langwierig sein, aber geben Sie nicht auf! Es ist besser, sich auf den Weg zu machen, als in seinen Nöten zu verharren. Allein die Tatsache, dass Sie aktiv werden, um Ihre Situation zu verbessern, kann bereits Ihre Laune heben, Ihnen Mut machen, die Menschen in Ihrem Umfeld inspirieren und Ihre Lebensqualität steigern. 

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